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Festnahme und Verhaftung

Ein schwerer Eingriff in das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 des Grundgesetzes) ist die Festnahme. Auch ohne richterliche Anordnung kann vorläufig festgenommen werden, wer auf frischer Tat betroffen und flüchtig ist – vorausgesetzt, er ist der Flucht verdächtig oder seine Identität lässt sich nicht sofort feststellen.

Auf frischer Tat betroffen ist eine Person, die bei der Begehung einer rechtswidrigen Tat gestellt wird oder direkt nach der Tat in direkter Nähe des Tatorts. Als flüchtig gilt ein Täter, wenn er sich vom Tatort bereits entfernt hat und sichere Anhaltspunkte vorliegen, die auf diese Person als Täter hinweisen. Neben dieser Verfolgung auf frischer Tat sind Staatsanwaltschaft und Polizei bei Gefahr im Verzug auch dann zur vorläufigen Festnahme berechtigt unter den Voraussetzungen eines Haftbefehls. Für dessen Erlass ist neben einem dringenden Tatverdacht das Vorliegen eines Haftgrunds erforderlich. Als Haftgründe nennt das Gesetz Flucht, Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr, Schwere der Tat und Wiederholungsgefahr.

Ob allein oder beraten durch einen erfahrenen Verteidiger: Spätestens 24 Stunden nach Ihrer Festnahme müssen Polizei bzw. Staatsanwalt Sie entweder freilassen oder aber mit Antrag auf Erlass eines Haftbefehls einem Richter beim Amtsgericht vorführen.

Festnahme, Verhaftung und Untersuchungshaft sind geregelt in den Paragrafen § 112 StPO – Voraussetzungen der Untersuchungshaft –; § 112a StPO – Haftgrund der Wiederholungsgefahr –; § 113 StPO – Einschränkung der Untersuchungshaft –; § 114 StPO – Haftbefehl –; § 115 StPO – Vorführung vor den zuständigen Richter –; § 116 StPO – Aussetzung des Vollzugs –; § 117 StPO – Haftprüfung –; § 120 StPO – Aufhebung des Haftbefehls –; § 121 StPO – Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate –; § 122 StPO – Haftprüfung durch das Oberlandesgericht –; § 127 StPO – Vorläufige Festnahme –; § 127a StPO – Freilassung gegen Sicherheit –; § 127b StPO – Vorläufige Festnahme und Hauptverhandlung – und § 128 StPO – Weiteres Verfahren.

Nach einer Festnahme bzw. Verhaftung sollten Sie unbedingt einen Strafverteidiger zu Rate ziehen. Für diese Hilfestellung und zur Wahrnehmung Ihres gesetzlich geschützten Interesses auf Vermeidung einer Bestrafung oder Begrenzung auf ein mildes Maß sollten Sie ihn frühzeitig kontaktieren. Bestehen Sie bei einer Festnahme auf Ihr Recht, sofort Kontakt zu einem Rechtsanwalt aufnehmen zu können. Ihn können Sie mit der Verteidigung beauftragen und ohne Überwachung die Lage besprechen. 

Rechnen Sie aufgrund gewisser Anhaltspunkte mit Ihrer möglichen Verhaftung oder befürchten Sie diese, notieren Sie sich die Telefonnummer Ihres Anwalts, um ihn im Notfall kontaktieren zu können. Vor diesem anwaltlichen Gespräch sollten Sie grundsätzlich von Ihrem Recht zu schweigen Gebrauch machen – von informellen, auch noch so freundlich anmutenden Sachgesprächen mit Polizeibeamten ist abzusehen, damit Ihnen keine Nachteile entstehen. Anlässlich einer Verhaftung werden oft genug Aussagen gemacht, die sich später nicht mehr ohne Weiteres revidieren lassen:

Bei einer Festnahme oder Verhaftung aufgrund eines Haftbefehls sollten Sie zum einen keinen Widerstand leisten, aber zum anderen zur Sache schweigen. Und seien Sie nicht zu vertrauensvoll – auch wohlgemeinte Ratschläge von Polizeibeamten verfolgen vor allem einen Zweck: ein Geständnis. Was einmal gesagt und protokolliert wird, oft auch nach einer ersten Nacht hinter Gittern, kann auch die beste Strafverteidigung nicht mehr ungesagt machen. Nutzen Sie Ihr Konsultationsrecht und lassen Sie sich von einem Anwalt vorher beraten, ob es sich empfiehlt, sich zu dem Vorwurf zu äußern oder bei klarer Beweislage ein Geständnis oder Teilgeständnis abzulegen.

In manchen Konstellationen kann es sich empfehlen, Angaben zu machen und sich einer Vernehmung zu stellen. Dringend ratsam ist aber, dass Sie den Zeitpunkt dafür selbst festlegen – wenn Sie wissen, welche Risiken und Chancen bestehen und wenn der Vorwurf, der Ermittlungsstand und die Beweismittel im Einzelnen bekannt sind. Ein erfahrener Strafverteidiger kann dies zuverlässig beurteilen und in Erfahrung bringen.

Eine Vernehmungssituation verunsichert schnell so, dass Sie deren Auswirkungen nicht mehr übersehen. Aber erst, wenn Ihr Anwalt die Verteidigungslinie aufgrund von Akteneinsicht ziehen kann und Ihr Kenntnisstand auf Höhe der Polizei ist, kommen Sie nicht in Erklärungsnot. Ihr Strafverteidiger wird versuchen, alle Möglichkeiten der Strafmilderung zu nutzen und ggf. Ihnen die Untersuchungshaft zu ersparen. Dazu wird er überprüfen, ob ein wirksamer Haftbefehl vorliegt, ob die Untersuchungshaft verhältnismäßig ist und ob Haftprüfung oder Haftbeschwerde zu beantragen ist.

Werden Sie als Beschuldigter in Untersuchungshaft genommen, wäre ein erster möglicher Rechtsbehelf die mündliche Haftprüfung. Hier können Beschuldigter und Verteidiger den Haftrichter überprüfen lassen, ob die Voraussetzungen für die Untersuchungshaft fortbestehen oder ob der Haftbefehl aufgehoben bzw. gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt werden kann. Daneben ist die Beschwerde gegen den Haftbefehl zulässig, über die in der Regel das Landgericht entscheidet. Die Haftbeschwerde ist auch dann statthaft, wenn der Haftbefehl noch nicht vollstreckt, ausgesetzt oder wegen Überhaft nicht vollzogen wird. Über das nächste Beschwerdeverfahren entscheidet in der Regel das Oberlandesgericht.

Soweit nur Fluchtgefahr vorliegt, kann der Richter den Vollzug des Haftbefehls auch aussetzen. Nach § 116 Abs. 1 StPO, der sogenannten Meldeauflage, haben sich Betroffene zu bestimmten Zeiten beim Richter, der Strafverfolgungsbehörde oder einer von ihr zu bestimmenden Dienststelle zu melden. Dazu kann der Betroffene auch angewiesen werden, den Wohn- und Aufenthaltsort oder einen Bereich nicht ohne Erlaubnis zu verlassen.

In unserer Stuttgarter und Tübinger Kanzlei verteidigt bei einer Festnahme oder Verhaftung der erfahrene Fachanwalt für Strafrecht Herr Holger Böltz Ihre Interessen und Rechte.